Fahrradwerkstätten müssen beim Service vom Amateur- ins Profilager wechseln. Das zeigt ein verdeckter Stichprobentest von TÜV Rheinland.

Servicequalität in Fahrradwerkstätten: Viel Luft nach oben

Die gute Nachricht zuerst: Egal, was Fahrradwerkstätten in puncto Service unternehmen – die allermeisten werden sich auf jeden Fall verbessern. Das ist mein Fazit nach einem verdeckten Stichprobentest in bundesweit acht Fahrradwerkstätten. Für den Test haben einige Kolleginnen und Kollegen und ich selbst verschiedene Fahrradmodelle – vom einfachen Stadtrad bis zum hochgerüsteten E-Bike – zunächst gezielt mit Mängeln ausgestattet. Dann haben wir Inspektionstermine in Fahrradreparaturwerkstätten vereinbart – oder es zumindest versucht –, und die Räder zur Wartung abgegeben. Ziel war es, im stark wachsenden Fahrradmarkt mehr über die Servicequalität und die technische Qualität der Inspektionen in Werkstätten herauszufinden.

Mit unseren Erfahrungen aus vielen Jahren verdeckten Tests in Autoreparaturwerkstätten waren wir sehr gespannt auf die Leistungen der Fahrradwerkstätten. Welche Servicestandards würden sie erfüllen? Wie hatten sie ihre Prozesse organisiert? Würden sie die vielen Möglichkeiten zur Kundenbindung im Rahmen der Inspektion nutzen? Unsere Ergebnisse waren leider ernüchternd. Keine Frage, es war nur eine kleine Stichprobe, und irgendwo gibt es sie sicherlich, die Fahrradbetriebe, die beim Service fast alles richtig machen. Wir haben sie allerdings nicht gefunden.

Kundenorientierung? Fehlanzeige!

Das fing schon bei der telefonischen Terminvereinbarung an. „Highlight“ war hier der vergebliche Versuch einer Terminvereinbarung bei einem Betrieb, in dem wir auch beim dritten Versuch keine Ansprechpartnerin und keinen Ansprechpartner erreicht haben. Aber auch ansonsten mangelte es häufig an Qualitätsstandards. So werden vielfach weder Kontaktdaten noch Fahrradmarken oder Informationen zu Motoren und Antrieben abgefragt. Informationen über Dauer und Kosten der Inspektion gab es in der Regel nur auf Nachfrage. Daran, das Serviceheft für die Wartung mitzubringen – eigentlich eine Selbstverständlichkeit -, wurden wir nie erinnert. Und auch die Frage danach, ob wir für die Wartungsdauer eine Ersatzmobilität benötigen – für Vielfahrer und Pendlerinnen sehr wichtig – unterblieb generell.

Mängel bei der Inspektion – ein Sicherheitsrisiko

Beim Abholen der Räder fiel uns unter anderem auf, dass selbst einfachste Möglichkeiten zur Kundenbindung oder zum Verkauf weiterer Leistungen unterblieben. So wurden wir auf mangelndes Fett an der Kette hingewiesen – aber uns wurde kein Kettenfett angeboten. Ich könnte die Liste jetzt noch deutlich verlängern. Aber noch problematischer als die vielen unterbliebenen Serviceangebote finde ich die mangelnde technische Qualität der Inspektionen. Denn Mängel hierbei gefährden die Sicherheit der Radfahrenden und anderer Verkehrsteilnehmer. Wir hatten in jedem Fahrrad drei technische Mängel verbaut, die alle so ausgestaltet waren, dass sie im Rahmen einer Regelinspektion hätten gefunden werden müssen, beispielsweise geringer Luftdruck oder defektes Licht.

Ergebnis:

Die Werkstätten behoben im Schnitt nur zwei von drei technischen Mängeln.
Auch wenn wir nur wenige Betriebe getestet haben – unser Fazit lautet, dass die Fahrradbranche gerade angesichts des E-Bike-Booms dringend in die Servicequalität investieren muss. Denn mit dem steigenden Wert der Fahrräder und der anspruchsvolleren Wartung elektrischer Komponenten kommen ganz andere Ansprüche an professionellen Service auf die Betriebe zu. Wenn die Fahrradbranche nicht einfach nur Fahrräder verkaufen will, sondern ihre Kundinnen und Kunden dauerhaft binden möchte, sind strukturelle Anpassungen unumgänglich.

Autor des Beitrags

Maro Hartberger

Maro Hartberger

Leiter Automotive Solutions & Werkstatt-Qualität

Maro Hartberger ist Leiter der Bereiche Automotive Solutions & Werkstatt-Qualität bei der TÜV Rheinland Kraftfahrt GmbH / Mobility. Mit mehr als 20 Jahren Branchenerfahrung prüft und berät er mit seinem Team Automobilhersteller, Werkstattkonzepte, Autohaus-Gruppen & Werkstätten nachhaltig. Getreu dem Motto „Warum nicht Dienstleistungen aus der Automobilbranche in die Mobilitätsbranche weiterentwickeln?“ schauen sein Team und er links und rechts des Mainstreams nach Potenzialen. In seiner Freizeit schraubt der zweifache Vater gerne an Kraftfahrzeugen und Zweirädern.

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