Hagelschäden: Versicherungen werden hellhörig
Und, was haben Sie so im Eisschrank? Meine Kolleginnen und Kollegen bei TÜV Rheinland haben genormten Hagel darin. Klingt amüsant, oder? Dahinter verbirgt sich jedoch letztendlich unser aller Sicherheit. Stellen Sie sich vor, Hagel zerschießt unsere Dachpfannen oder Dachfenster? Das wird nicht nur empfindlich kalt, sondern auch teuer. Mittlerweile verlangen einige Versicherungen, dass nur Baustoffe oder Materialen verwendet werden, die den kleinen Eisklümpchen – oder manchmal eben auch ordentlich großen Eisklumpen – standhalten.
In der Schweiz gibt es sogar ein Hagelregister. Dort werden nicht etwa die unterschiedlichen Formen der „Körner“ gelistet, sondern auf Hagel getestete Produkte. Unser Nachbarland Österreich hat das Verfahren adaptiert. Zudem bieten die beiden Länder Hagelkarten an, die die Wahrscheinlichkeitsverteilung von Hagelvorkommnissen in unterschiedlicher Schärfe darstellen. So wird schnell klar, dass die Wahrscheinlichkeit für Hagelphänomene mit großen Hagelkörnern beispielsweise am Genfer See niedriger ist als im Berner Oberland. In Deutschland spicht der „Gesamtverband der Deutschen Versicherer“, kurz GDV, Empfehlungen aus.
Durchmesser: bis zu 6,5 cm
Möglich, dass sich auch bei uns etwas tut. Die Earth System Knowledge Platform (ESKP) hat ebenfalls eine Hagelkarte erstellt, die auf der Statistik von rund 3.000 Hagelereignissen innerhalb von sieben Jahren basiert. Sogar Wikipedia spuckt zwei Artikel mit ähnlichen Titeln aus: Hagelsturm in Reutlingen bzw. München. Die Schadenssummen sind enorm, der Klimawandel real. Der GDV schreibt in seinem Naturgefahrenreport 2020: „Neben Tausenden Fahrzeugen trifft es auch Gebäude – Fensterscheiben gehen unter der Wucht des Hagels zu Bruch, … der Hagel erreicht teilweise bis zu sechseinhalb Zentimetern Durchmesser.“ Zum Vergleich: Ein Golfball misst quer 42,67 Millimeter.
große Hagelkörner
Druckluftkanone schießt mit Hagelkörnern
So, und was hat das jetzt mit TÜV Rheinland zu tun? In unserem Kölner Solarlabor, versteckt an der Seite, liegt ein fensterloser Raum mit mächtiger Schutztür. Darin steht ein Gestell, auf dem Solarmodule, Rollläden, Fassadendämmungen, Lichtkuppeln, Motorhauben und andere Gegenstände montiert werden können. Gegenüber positioniert ist eine Druckluftkanone, wie sie ähnlich auch beim Tennistraining eingesetzt werden könnte. Doch diese hier spuckt tiefgekühlte Kugeln aus.

Je nach Bedarf wird der Lauf der Kanone getauscht und „Hagelkörner“ mit einem Durchmesser zwischen 20 und 50 Millimeter können verschossen werden. Ist die Maschine geladen, hageln die Eisbälle auf die Fläche.
Das können auch mal Dächer von Wohnwagen oder ähnlichen Freizeit-Unterkünften sein, eigentlich alles, was in seinem Lebenszyklus Wind und Wetter ausgesetzt ist. Gut zu wissen, wenn die Oberfläche beim nächsten Hagelsturm nicht durchsiebt wird.
Definierte Widerstandsfähigkeit
Offiziell sind fünf Hagelwiderstandsklassen (HW) definiert. HW 1 zeigt einen sehr geringen Widerstand, HW 5 dagegen einen hohen. Wenn beispielsweise eine Dachluke einem Normhagelkorn mit einer Masse von 56,9 Gramm standhält, die mit einer Geschwindigkeit von 30,8 Metern pro Sekunde aufprallt, erhält diese Luke den HW 5. Unser akkreditiertes Labor schießt und misst anschließend die Schäden. Bei Solarmodulen testen unsere Fachleute den Hagelwiderstand seit über 20 Jahren. Seit nunmehr 6 Jahren arbeiten sie eng mit dem VKG zusammen, der Vereinigung Kantonaler Gebäudeversicherungen in der Schweiz. Meine Kolleginnen und Kollegen wurden einst von der VKG eingeladen, an einem aufwendigen „Rundvergleich“ teilzunehmen. Die geleistete Arbeit in unserem Labor überzeugte unsere Nachbarn – so hat uns die präzise Schweizer Vereinigung die Erlaubnis erteilt, nach ihren Vorgaben zu prüfen.
Fazit
Zusammengefasst: Kund*innen, schaut auf eure Versicherungspolicen! Das kann viel Geld und noch mehr Ärger und Zeit einsparen. Ein Tipp für Hersteller: Hagelprüfungen können, auch wenn sie nicht verpflichtend sind, gerne für das Eigenmarketing genutzt werden. Letztendlich, und das sei betont, geht es aber um Sicherheit. Und genau das ist unsere Aufgabe als TÜV Rheinland.
Interesse?
Bisher werden bei uns nur neue Materialien getestet. Interessant wäre sicherlich ein Projekt, das die Hagelwiderstandsfähigkeit nach 20 oder 30 Jahren testet. Sind ältere Jalousien oder Gebäudeverkleidungen, die ständig der Witterung ausgesetzt sind, genauso widerstandsfähig wie neue? Ich habe keine Studie dazu gefunden. Interesse? Unser Labor steht in Köln.
Autor des Beitrags

NICOLE KRZEMIEN
SOCIAL MEDIA + PRESSESPRECHERIN
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