Vor wenigen Wochen habe ich mich mal wieder aus Köln hinaus begeben und bin nach Hannover gereist – mit dem Zug natürlich. Ist ja klimaneutral und schont die Nerven, die man ansonsten auf der Straße lässt, wegen der vielen rüpelhaften Auto- und Lkw-Fahrer. Rüpelfrei ist der Zug aber leider auch nicht, musste ich feststellen. Es verschlug mich in den Ruhebereich, sprich in den Waggon, indem man zwar atmen darf, aber sonst besser nichts unternimmt. Der Geräuschpegel hielt sich auch einigermaßen in Grenzen, sieht man einmal von ein paar mitreisenden Kindern ab, die sich aber recht gesittet benahmen, im Gegensatz zu so manchem Erwachsenen. Über dem ganzen Abteil lag also eine angenehme Ruhe.
Handyklingeln in der Ruhezone – der Klassiker
Doch dann passierte es. Ein Handy klingelte. Der Fahrgast, offensichtlich ein Messegast auf dem Weg zur Cebit, versuchte, sein Gespräch knapp zu halten und verabredete sich recht leise zu einem Treffen auf dem Messegelände. Dass wiederum gefiel der Dame vor ihm nicht, die einen Film auf ihrem Laptop schaute und sich massiv gestört fühlte. Warum auch immer, hatte sie doch Kopfhörer im Ohr und war damit für ihre Umgebung eh nicht erreichbar. Jedenfalls sah sie sich genötigt, den „Störenfried“ hinter ihr zur Raison zu bringen. Leider in einem sehr despektierlichen Tonfall. Als dann auch noch mein Handy zu klingeln begann, war es ganz vorbei mit ihrer Contenance. Wir beide, die wir uns erdreistetet hatten, die eingehenden Telefonate, weil dienstlich veranlasst, auch anzunehmen, wurden über den Sinn des Ruheabteils belehrt, und zwar so laut, dass auch die Reisegäste in den vordersten Reihen nun wussten, dass man in diesem Abteil zu schweigen hat.
Die Situation der anderen verstehen
Nun ja, ich denke, es ist sinnvoll Rücksicht zu nehmen und die Nerven der Mitreisenden nicht über Gebühr zu strapazieren. Mit was auch immer, zum Beispiel mit langen Telefonaten oder Gesprächen, zu lautem Gelächter oder dem Geschnarche des ermüdeten Fahrgasts in Reihe 10.
Unter Rücksichtnahme verstehe ich, dass mir die Bedürfnisse meines Gegenübers bewusst sind und ich ihn aus diesem Grunde wohlwollend behandle. Und damit bin ich bereit, freiwillig auf die Umsetzung eines Teils meines Vorhabens zu verzichten. Doch um überhaupt in der Lage zu sein, Rücksicht nehmen zu können, benötige ich die Fähigkeit, mich in andere Menschen hineinzuversetzen und deren Situation zu verstehen. Manchmal ist im Umgang mit anderen nicht sofort ersichtlich, wann man Rücksicht nehmen sollte. Klare Regeln dazu gibt es in unserer Gesellschaft nämlich nicht. Es kommt eher auf den Augenblick und die Situation an, zu erkennen, wann es sinnvoll ist, rücksichtsvoll zu sein und wann man auch mal an sich denken darf.
Gelassen bleiben und auch mal ein Auge zudrücken
Sicherlich, im Ruheabteil der deutschen Bahn sollte man Rücksicht auf seine Mitreisenden nehmen, und ich bin mir sicher, dass keiner der Reisegäste absichtlich und ganz bewusst andere stören will. Rücksicht nehmen heißt für mich daher auch, ab und zu mal ein Auge zuzudrücken und nicht wegen jeder Kleinigkeit aus der Haut zu fahren, sondern gelassen zu bleiben, wenn neben mir mal wieder das Mobiltelefon klingelt. Ich bin mir sicher, mein Sitznachbar wird sich kurz fassen und seinen Mitteilungsdrang zügeln können. Und sollte mich sein Gespräch beim dem was ich tue wirklich stören, schaue ich einfach mal eine Weile aus dem Fenster und genieße die Landschaft. Das hat auch etwas Entspannendes.
In diesem Sinne freue ich mich schon auf meine nächste Zugreise und bin gespannt, mit welchen Zeitgenossen und Herausforderungen ich dann konfrontiert werde.
Ich mache mal den Spielverderber 😉 Telefonieren ist im Ruheabteil komplett komplett verboten, ebenso wie Handyklingeln. Beim nächsten Mal also das Handy auf lautlos und rausgehen wenn jemand anruft 😉
Wieder eine wundervolle Satire!
Ich liebe es, wie Sie die rücksichtslose Überheblichkeit einiger Mitmenschen mit spitzer Feder nachzeichnen.
„Natürlich telefoniere ich auch im Ruheabteil, ist ja dienstlich veranlasst“, die Mitreisenden können ja solange entspannt aus dem Fenster schauen, einfach herrlich.
Auch empfehlenswert und vom selben Autor: Urlaub mit „TÜV Rheinland Brille“.
Heldin rettet (fast) vernachlässigte italienische Kinder vor dem (fast) sicheren Tod, schafft es trotzdem noch die Sicherheit ihres Hotels zu checken( zum Brüllen komisch).
Geradezu prophetisch: Führungsstil: Was Manager von Eseln lernen können.
Als hätten sie die aktuellen Skandale (VW, Audi, usw.) vorausgesehen, bewundernswert.
Bitte mehr davon!
Auch ich bin sehr gespannt, mit welchen Zeitgenossen und Herausforderungen Sie noch so konfrontiert werden.
Ihr Horst